Selfcare – Was bedeutet das eigentlich?

Selfcare

Vor ein paar Wochen fragte mich meine Freundin Kathi, ob sie mich für ihren Vanilla Soul-Podcast zum Thema Selfcare interviewen kann. Ich sei für sie „die Queen der Selfcare”. Wow, danke! Ich sagte zu – na klar, gern! – um mich dann recht schnell zu fragen: „Bin ich das? Was kann ich zu dem Thema spannendes erzählen?” und, nach einer Weile: „Was bedeutet Selfcare überhaupt?”, jenseits des Hashtags.

Heute Morgen haben wir uns dann endlich per Zoom zum Interview getroffen und es ist ein schönes, angeregtes Gespräch daraus geworden (auf Englisch). Den Podcast kannst du dir HIER auf Spotify anhören oder für später speichern.

Selfcare Interview mit Noémie im Vanilla Soul Podcast

Falls du kein Englisch kannst oder lieber liest als zuhörst, kommt hier die dazugehörende Textversion, die nicht 1:1 den Podcast wiedergibt, aber einen ersten Aufschlag zum Thema macht.

Kathi hatte mir zur Vorbereitung ein paar Fragen geschickt, ich hatte mich zum Thema mit meinen Freundinnen ausgetauscht und mir natürlich auch selbst meine Gedanken gemacht. Wenn man will, kann man ein ganz schön großes Fass aufmachen. Manche Details führe ich hier ausführlicher aus als im Gespräch und manches, was wir besprochen haben, passt nicht mehr in diesen Artikel. Hierfür gibt es dann einen Teil 2. Mindestens.

Erstmal allerdings der Versuch einer Antwort auf die Frage:

Was ist Selfcare eigentlich?

Selfcare ist zunächst einmal die englische, inzwischen aber eingedeutschte bzw. internationalisierte Bezeichnung für „Selbstfürsorge”.

Was ich darunter verstehe? Für mich bedeutet Selfcare, sich den eigenen Bedürfnissen entsprechend um das eigene körperliche und geistige Wohl zu kümmern. Dazu gehört – je nach Charakter, Situation, Lebensumständen – beispielsweise

  • Grenzen setzen,
  • Me-Time nehmen,
  • Nein aber auch Ja sagen können
  • und/oder das Anwenden verschiedener Praktiken und „Tools”, wie z.B. Yoga, Meditation, Breathwork, Sport, Massagen, Wellness oder auch einfach Schlafen …

Es gibt unzählige Möglichkeiten. Mehr dazu im Detail weiter unten.

Selfcare verändert sich je nach Lebensphase, Situation und individuellen Bedürfnissen und Vorlieben und auch wenn es klassische Methoden der Selfcare gibt, gibt es kein One-fits-All-Rezept. Um also zu wissen, was du gerade brauchst, hilft es, wenn du dich gut kennst. Ist das nicht der Fall, lohnt es sich, dich besser kennenzulernen.

Selfcare ist vielschichtig

Meine persönliche Selfcare Journey

Meine persönliche Reise in Richtung Selfcare begann, als ich mit Anfang 30 eine Therapie nach der Grinberg-Methode begann, weil ich an anhaltenden Magenschmerzen litt, hintereinander drei Beziehungen auf die gleiche Weise sabotiert und gegen die Wand gefahren hatte, damit mir und Menschen in meinem Umfeld viel Schmerzen zugefügt hatte und so nicht weitermachen wollte.

Die Grinberg-Methode ist eine ganzheitliche Therapie, die Körper und Geist mit einbezieht. Sie half mir zu erkennen, nach welchen ungesunden Mustern ich oft handelte, wie ich mich selbst verbog, von mir selbst abschnitt und generell nicht so gut behandelte. Hätte man mich damals gefragt, ob ich mich liebe und ob es mir gut gehe, hätte ich ohne zu zweifeln „Ja” gesagt. Ja klar, I’m amazing!

Ich hatte an sich auch eine gute Zeit, meine Zwanziger waren eine aufregende und sehr intensive Zeit, die ich nicht missen möchte. Aber ich wusste nicht, was ich wollte oder was mir gut tut, war nicht sehr bewusst (im Sinne von präsent), ließ mich treiben, auf alles ein, konnte meine Bedürfnisse nicht spüren, erlebte mich oft wie von Außen und war nicht besonders gut im Grenzensetzen. Stattdessen fraß ich – unbewusst – viel in mich hinein, bis ich dann unkontrolliert explodierte.

Die Therapie, in Kombination mit Yoga, das zu der Zeit als regelmäßige Komponente in mein Leben trat, Meditation, die damals begann, zu meinem Alltag zu gehören und Eckart Tolles Buch „Jetzt. Die Kraft der Gegenwart”, das mich völlig flashte, brachten mich mit mir selbst in Verbindung und veränderten mein Leben. Es gibt ganz klar ein Davor und ein Danach, in dem es mir deutlich besser geht. Ich lebe authentischer, meine Beziehungen sind authentischer, ich erkenne mich als jemanden, um den es sich zu kümmern lohnt und bin in der Lage, das auch zu tun.

Selbsterkenntnis und Grenzensetzen als wichtige Meilensteine für meine Selfcare-Praxis

Heute weiß ich viel besser, was meine wirklichen Bedürfnisse sind, wo meine Grenzen liegen, wie ich mich behaupten kann, dass „Nein” sagen in Ordnung ist … Ich erkenne schneller, wenn ich meine Grenzen überschreite oder mich überfordere, bemerke schneller, wenn dadurch etwas aus dem Lot kommt und kenne genügend Tools, mit denen ich mich wieder in Balance bringen kann. Diese Tools anzuwenden, ist das, was ich für mich als Selfcare bezeichne. Und das muss nicht jeden Tag gleich sein.

Auch wenn ich phasenweise eine Art Routine habe – eine wirklich feste Selfcare-Tagesroutine habe ich nicht. Und nur weil ich mich inzwischen besser durchschaue, heisst das nicht, dass ich mich nicht immer noch hin und wieder entweder selbst – ungewollt bis sehenden Auges – in Bredouillen manövriere oder aufgrund der Lebensumstände in dieser Welt – Verpflichtungen, gesellschaftliche Erwartungen, Arbeit, Beziehung(en) etc. – meine Grenzen missachte. Es kommt immer noch vor. Aber weniger, seltener und mit weniger dramatischen Folgen für mich und mein Umfeld.

Selfcare ist … ein Prozess und kein Luxus

Für mich ist Selfcare kein abgeschlossener Prozess, sondern etwas wie das tägliche Zähneputzen. Mit einem Mal ist es nicht getan. Um mal bei dieser Metapher zu bleiben: Zähneputzen haben wir alle als Kinder gelernt und für die meisten von uns gehört es zur normalen Körperpflege dazu. Es ist ein „Non-negociable”. Diese drei bis fünf Minuten nehmen wir uns ganz selbstverständlich, ohne uns deshalb schlecht, egoistisch oder anmaßend zu fühlen. Wie wär’s, wenn wir uns in gleicher Weise weitere mindestens 5 Minuten täglich nähmen, um uns über die Grundkörperpflege hinaus um uns selbst – um unsere Seele, unseren Geist, unser Nervensystem – zu kümmern?

Aus meiner Sicht ist Selfcare nämlich weder egoistisch noch ein Luxus. Vielmehr bedeutet Selfcare zu betreiben aus meiner Sicht, dass man sich selbst ernst nimmt und für so wertvoll erachtet, dass es sich lohnt, etwas für dieses Selbst und sein Wohlergehen zu tun.

Selfcare ist … individuell

In welcher Form das geschieht, ist dann eine individuelle Entscheidung. Wie schon gesagt: Was des einen Selfcare ist, ist nicht unbedingt die der anderen. Auch um das zu entscheiden, ist es gut, wenn man sich selbst besser kennt.

Selfcare und Meditation

Und wie lernt man sich nun besser kennen? Entweder durch Therapie, oder z.B. durch Meditation 🙂 Denn beim Meditieren (oder erstmal einfach die Augen schließen und still werden und wenigstens ein bisschen mit dem sitzen, was sich zeigt) kannst du erkennen, welche Gedanken dir den ganzen Tag durch den Kopf schießen und was davon eigentlich deine eigenen Gedanken sind und was davon du von Außen übernommen hast. Das kannst du dann kritisch in Frage stellen. Gleiches gilt für deine Gefühle: Wenn du dir die Zeit nimmst und dir erlaubst, zu fühlen, was du fühlst, erkennst du irgendwann, welches Gefühl wirklich an der Wurzel sitzt (oft verbergen sich Gefühle hinter Gefühlen. Aggression kann Trauer verdecken, Gereiztheit Unsicherheit usw.) und auch hier kannst du irgendwann erkennen, was deine eigenen Gefühle sind und welche du vielleicht unbewusst von jemandem aus deinem Umfeld übernommen hast. Deine eigenen Gefühle lohnen sich anzuschauen. Die fremden Gefühle darfst du getrost loslassen.

Und wenn du dann mehr Klarheit hast über deine Gedanken, Gefühle, Bedürfnisse, dann kannst du besser entscheiden, welcher Form deine Selfcare annehmen soll.

Wenn du dir bei alldem Unterstützung wünschst, let me know –> HIER LANG für die individuelle Begleitung

Welche Möglichkeiten der Selfcare gibt es? Wahrscheinlich tausende. Hier mal ein paar Vorschläge:

Möglichkeiten der Selfcare:

  • Eine Form der körperlichen oder mentalen Entspannung oder Stärkung – selbst gemacht (Meditation, Stretching, Sport – irgendeine Art von Bewegung, Atemübungen, Schütteln, Summen) oder von jemand anderem erbracht (Massage, Reiki, Shiatsu, Sound Bath … eine Pediküre …)
  • Es kann eine solitäre Praxis sein, weil allein das Alleinsein Teil der Selfcare ist oder in Gemeinschaft erfolgen, weil es dir gerade gut tut, dich mit anderen Menschen zu umgeben und soziale Interaktion dir Kraft gibt,
  • Es kann das Zuführen bestimmter Stimuli sein (z.B. Speisen, Getränke, Musik, Sex, Abenteuer) oder das bewusste Verzichten darauf.
  • Ganz alltägliche Dinge: z.B. eine Dusche nehmen, um fremde Energien loswerden möchtest (wie eine rituelle Waschung 😉 oder einfach, weil du dich staubig, schmutzig, schwitzig fühlst oder weil dir danach ist.

Konkrete als wirksam erwiesene Methoden der Selfcare, die dein Nervensystem beruhigen:

  • Meditation natürlich. Wie bereits erwähnt, als Selfcare-Praxis per se oder als Vorstufe, um dich selbst besser kennenzulernen und somit als Mittel, um herauszufinden, was du gerade brauchst und wie eine passende Selfcare aussehen könnte,
  • Breathwork. Es gibt spezifische Atemtechniken, die sehr schnell und effektiv Stress reduzieren und dein Nervensystem beruhigen.
  • Summen, Schütteln,
  • Yoga und je nach Typ andere Sportarten,
  • Gärtnern,
  • Massagen, Wellness, ein Friseurtermin, …
  • ODER: Mal gar nichts tun!

Meine Selfcare

Meine Selfcare besteht manchmal einfach nur darin, gesunde Grenzen bestimmt aber liebevoll und rechtzeitig zu setzen und zu achten, zu Angeboten „Nein” zu sagen oder meinen Körper bewusst nicht zu pushen und dafür ruhig zu machen. Manchmal gibt’s noch ne Cherry on top dazu, in Form von „Doing Selfcare”, also z.B. Meditation, Yoga, Breathwork etc.

Manchmal sieht meine Selfcare von Außen betrachtet nicht nach Selfcare aus und ist sogar anstrengend für meinen Körper, tut dafür aber meiner Seele gut. Zum Beispiel, wenn ich mit Freunden ausgehe, die ganze Nacht tanze und kein Auge zu tue. Dann war das insofern Selfcare, als dass ich viele Endorphine ausgeschüttet und unvergessliche Erinnerungen kreiert habe, von denen ich noch lange zehre. Der #gönndirfaktor ist auch wichtig in der Selfcare. Deshalb kann auch ein fettes Stück Sahnetorte oder Junk Food durchaus mal Selfcare sein, wenn du es genießt.

Wichtig: Balance in der Selfcare und kein Dogma bitte!

Wichtig ist, danach die Balance wieder herzustellen und eine ausgleichende Form der Selfcare anzuwenden, die meinem Körper hilft, zu regenerieren, z.B. in Form einer Fussmassage, eines Vollbads oder einfach durch Ausschlafen mitten in der Woche.
Wie so oft geht es auch beim Thema Selfcare um die Balance. Gern dogmafrei und ohne in das eine oder andere Extrem zu verfallen.

4 Tipps für alle, die noch keine Selfcare praktizieren und nicht wissen, wo sie anfangen sollen:

  1. Nimm dir als erstes Zeit, um dich mit dir selbst zu verbinden und dich kennen zu lernen. Wenn du still wirst, die Augen schließt und deinen Atem wahrnimmst, kannst du besser spüren, wie dein Energielevel gerade ist und nur so kannst du verstehen, was du im jeweiligen Moment brauchst: Bist du gerade low und brauchst was, das dich energetisiert? Oder bist du gerade gestresst, unruhig, überfordert, und brauchst etwas, das dich beruhigt und erdet?
  2. Selfcare ist kein Quick-Fix, sondern eine Reise/ein Prozess. Erwarte nicht zu viel, lass dich überraschen.
  3. Sei neugierg und offen, exploriere und experimentiere mit Methoden. Zwing dich zu nichts und verstell oder verdreh dich nicht. Wenn sich etwas nicht gut anfühlt, ist es nicht für dich – auch wenn „alle anderen” drauf schwören. Vielleicht erfindest du stattdessen deine eigene Art der Selfcare?
  4. Nimm den Druck raus. Du „musst” gar nichts. Es soll deine Selfcare sein. Und wenn du mal einen Tag aussetzt, weil es nicht passt, lass dich nicht stressen. Wenn es nicht gepasst hat, dann mach einfach dann weiter, wenn es wieder passt. Wenn du normalerweise den Morgen für deine Selfcare nutz, aber aus welchen Gründen auch immer, nicht dazu gekommen bist, dann switche an dem Tag vielleicht auf den Abend oder setz einfach den Tag aus, das macht nichts. Selfcare sollte kein weiteres To Do auf deiner Liste werden.
Selfcare Nichts machen

Vorurteile oder falsche Annahmen über Selfcare und meine Antwort darauf:

  1. Selfcare ist weder egoistisch, noch Luxus oder nur was für Leute die „zu weich” sind für diese Welt. Wie oben schon erwähnt: Deine Selfcare kommt deiner Umwelt zugute und damit potenziell der Gesellschaft als Ganzes.
  2. Selfcare ist nicht nur Wellness, sondern kann was ganz banales sein. Z.B. sich die Zeit zu nehmen, in Ruhe ein gesundes Lunch zu sich zu nehmen, anstatt sich vor dem Bildschirm Junkfood reinzuziehen.
  3. Selfcare ist kein Quick-Fix und es gibt keine One-fits-all-Lösung.
  4. Selfcare ist je nach Situation etwas anderes.
  5. Selfcare sieht nicht immer wie Selfcare aus und nur, weil man seine Selfcare ernst nimmt, muss man nicht auf alles „Ungesunde” im Leben verzichten und zum Asket werden oder zum Wellness-Junkie, der den lieben langen Tag nur im Whirlpool plantscht.
  6. Für Selfcare muss man Geld haben. Klar, gewisse Grundbedürfnisse müssen befriedigt sein, damit du dich um deine Selfcare kümmern kannst und mir ist sehr bewusst, dass wir uns in einer sehr privilegierten Bubble bewegen und durch die Bubble geprägt denken, aber theoretisch brauchst du weder Geld noch andere Ressourcen für Selfcare. Es muss nicht der Tag im Spa sein – 5 Minuten bewusst Atmen kann Selfcare sein.
  7. Selfcare ist nicht immer Doing, sondern oft auch ein Not-Doing oder ein Doing-Nothing und vor allem auch ein Thinking: Wie du mit dir selbst sprichst, kann self-caring oder self-destructive sein. Hier kommt das Konzept der Self-compassion ins Spiel, also des Selbstmitgefühls (nicht zu verwechseln mit Selbstmitleid). Dass du freundlich und geduldig zu dir selbst bist und dich nicht fertig machst für Dinge, die du in der Vergangenheit versäumt hast oder für Situationen, in denen du heute anders handeln würdest. Freundlich und geduldig mit dir selbst zu sein, gehört zu den Grundpfeilern der Achtsamkeit. Mehr dazu kannst du HIER lesen (https://highonzen.com/blog/die-7-grundhaltungen-der-achtsamkeit/). Und wenn du mehr Achtsamkeit in dein Leben integrieren möchtest und dir dabei Unterstützung wünschst, buch dir gern einen Kennenlern-Call für eine MBSR-inspirierte Begleitung: HIER LANG zu Angebot und Kennenlern-Call-Buchung.
  8. Selfcare muss nicht unbedingt immer allein praktiziert werden und hat nicht ausschließlich mit Rückzug zu tun – sie kann auch durchaus eine sehr soziale Komponente haben.

Themen, die in diesem Artikel keinen Platz gefunden haben und im nächsten dran kommen:

  • Als Inspiration: ein entscheidender Moment in meiner persönlichen Selfcare Journey, als ich merkte, dass sich gerade etwas änderte,
  • Ein kritischer Blick auf das nicht ganz unproblematische Schlagwort Healing im Zusammenhang mit Selfcare
  • Hal Hershfields Konzept vom Future Self im Bezug auf Selfcare, 
  • Blick darauf, warum Selfcare in dieser hoch-digitalen, schnellen und unsicheren Welt wichtig ist

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Noémie Causse

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